1973-Mord an Beat Gyger

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1973-Mord an Beat Gyger

Ungelesener Beitrag von Hercules »

Die Wahrheit wäre unendlich erlösend»
Von Barbara Schluchter-Donski. Aktualisiert am 04.11.2013 8 Kommentare
Vor 40 Jahren erschütterte ein Mordfall Thun: 1973 verschwand der 14-jährige Beat Gyger, einen Tag später fanden Reiterinnen seine Leiche. Bis heute hoffen die Angehörigen auf Aufklärung.


1/5Ein Ort, der schmerzvolle Erinnerungen weckt: Seit dem Mord an seinem Bruder vor 41 Jahren war Bernhard Gyger nie mehr auf dem Thuner Budenplatz. (3.6.2014)
Bild: Patric Spahni

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«Ich hatte kurz die naive Hoffnung, dass sich die Tat aufklären lässt»
«Mordfall Gyger - eine Spurensuche»

Franziska Streun sprach bei der Recherche fĂĽr ihr Buch mit ĂĽber 250 Leuten

Die Idee, über den Fall des ermordeten Beat Gyger zu schreiben, trug TT-Redaktorin Franziska Streun lange mit sich herum: «Vor Jahren kam ich mit Bernhard Gyger, dem Bruder des Ermordeten, ins Gespräch», erzählt sie. Dabei habe sich herausgestellt, dass Gyger, der Geschäftsführer der ARA Thunersee war und heute den Wasserverbund Region Bern leitet, seit langem selber darüber nachdachte, die Geschichte aus seiner Sicht aufzuarbeiten.

Im Einvernehmen mit der Familie begab sich Franziska Streun schliesslich auf Spurensuche. «Doch», fügt sie an, «Bernhard Gyger bat mich erst zuzuwarten, bis seine beiden Kinder dem Schulalter entwachsen sind.»

Es gab auch Widerstand

Franziska Streun hat in den letzten anderthalb Jahren viele Zeitungsberichte gelesen, in Archiven gestöbert, mit der Familie und mit weiteren über 250 Menschen gesprochen: mit Klassenkameraden, Lehrern, Schaustellern, Verdächtigen, Nachbarn, Polizisten und Reportern.

In ihrem Buch zu Wort kommen aber auch der damalige Fahndungsleiter, der zuständige Untersuchungsrichter und Fachpersonen wie Psychiater und Schwulenaktivisten. Und sie hat von der Familie Gyger umfassende Akten und Dokumente erhalten, welche ein mittlerweile verstorbener Fahnder privat angelegt hatte.

Aber sie ist bei ihrer Recherchearbeit auch auf Widerstand und Ungereimtheiten gestossen: So rieten ehemalige Polizisten Betroffenen davon ab, mit der Buchautorin zu sprechen, oder Angesprochene verweigerten von sich aus das Gespräch oder zogen ihre Aussagen zurück.

Etliche Zeitzeugen hat Franziska Streun auch nicht mehr ausfindig machen können. Aus Rücksicht auf den Persönlichkeitsschutz sind die Namen der meisten Personen, welche im Buch schliesslich zitiert werden, nicht erwähnt.

Übrigens hat die Staatsanwaltschaft das Gesuch der Familie um generelle Akteneinsicht für die Recherche aus Datenschutzgründen abgelehnt. Und: Der Beitrag zum Fall Gyger, welcher im Rahmen der TV-Serie «Aktenzeichen XY ungelöst» am 13.September 1974 ausgestrahlt wurde, ist im Verlaufe der Recherchen vom Netz genommen worden, berichtet Franziska Streun.

Verschiedene Ebenen

Entstanden ist schliesslich ein Buch im Stile eines modernen Dokumentarfilms, das Angehörige und Zeugen zu Wort kommen lässt und auf verschiedenen Ebenen spielt. So baute Franziska Streun auch einen fiktiven Erzählstrang ein, in welchem sie die Geschichte erzählt, wie sie sich vielleicht zugetragen haben könnte.






Buchpräsentation

Dienstag, 12.November, 19.30 Uhr, in der Buchhandlung Krebser in Thun. Ab Ende November erscheint das Buch auch als Fortsetzungsgeschichte im Thuner Tagblatt.

Stichworte

Mord/Totschlag
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«Für mich bedeutete der gewaltsame Tod von Beat, dass ich als 12-Jähriger aus einer unbeschwerten Jugend gerissen wurde und von einem Tag zum andern erwachsen sein musste», schreibt Bernhard Gyger, der heute 52-jährige Bruder des Ermordeten, im Vorwort zu Franziska Streuns neuem Buch.

Bernhard Gyger spricht damit das Pfingstwochenende 1973 an. Damals geschah das Unfassbare, das die Familie Gyger in ihren Grundfesten erschĂĽtterte, das Thun in einen Schockzustand versetzte und das bis heute nachhallt.

Ein verhängnisvoller Abend

Der Abend an diesem 9.Juni ist mild. Der 14-jährige Beat Gyger hat von seinen Eltern den Auftrag erhalten, mit dem Fahrrad zur Grossmutter zu fahren, um ihr einen Arzttermin mitzuteilen. Doch der Achtklässler, der in einer schwierigen Phase steckt, gegen seine Eltern und Lehrer rebelliert, die Schule schwänzt und Töffli klaut, hat andere Pläne: Er fährt nur wenige Meter weit, holt aus einem Versteck ein gestohlenes Mofa hervor und begibt sich damit auf den Budenplatz beim Hotel Holiday.

Er trifft Freunde und fährt mit einem Mädchen aus seiner Schule auf der Scooterbahn. Dieses Mädchen beobachtet schliesslich auch, wie sich Beat kurze Zeit später mit einem knapp 20-jährigen Mann trifft, der ihm eine Ohrfeige verpasst. Anschliessend sieht sie, wie sich die beiden in Richtung Lachenkanal entfernen.

Das ist um 20.30 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt weiss das Mädchen nicht, dass sie mit dieser Beobachtung zu einer wichtigen Zeugin in einem Mordfall wird, der schweizweit für Schlagzeilen sorgen wird. Denn mit dem Verschwinden von Beat vom Budenplatz beginnt die unheimliche und verworrene Geschichte eines Verbrechens, das bis heute ungelöst blieb und deshalb viel Raum für Spekulationen und Verdächtigungen liess.

Am nächsten Tag nämlich, am Pfingstsonntag 1973, finden zwei Reiterinnen in Mamishaus bei Schwarzenburg die Leiche von Beat Gyger: Der 14-Jährige liegt bäuchlings und mit verrenkten Gliedern auf dem feuchten Boden des Lindenbachgrabens. Um seinen Hals ist eine Packschnur gebunden. Er trägt die Kleider vom Vorabend, nur die Schuhe fehlen. Doch die Socken sind sauber und trocken. Die gerichtsmedizinische Untersuchung wird später ergeben, dass der Junge durch massiven Druck auf den Brustkorb erstickt und danach von der Strasse in den Graben hinuntergestossen wurde. Auf der Strasse fällt der Polizei später eine zwei Meter lange Bremsspur auf.

Es war eine Katastrophe

Der grausige Fund in 28 Kilometern Entfernung von Beat Gygers Wohnort löst nicht nur intensive Ermittlungsarbeiten der Polizei aus, sondern sorgt auch dafür, dass das Leben der Familie Gyger aus den Fugen gerät: Mit der Nachricht über den Tod ihres Sohnes und Bruders geraten Adelheid, Otto und Bernhard Gyger in einen Strudel aus Trauer, Ohnmacht, Verzweiflung und Selbstvorwürfen.

Und sie müssen sich gleichzeitig den unzimperlichen Fragen der Fahnder stellen, die nicht davor zurückschrecken, auch Vater Otto als Verdächtigen zu vernehmen. «Es war eine Katastrophe», sagt Mutter Adelheid heute, «die Polizei war überfordert. So etwas Schlimmes wie diesen Mord an einem 14-Jährigen hatte es damals in Thun noch nie gegeben.»

Hinzu kommen Gerüchte, Andeutungen und Verleumdungen von Nachbarn und Unbekannten sowie Medienleute aus Zürich, die auf der Suche nach einer Sensationsgeschichte noch am Abend des Pfingstsonntags bei der Familie aufkreuzen. Diese enorme Belastung muss die Familie ohne psychologische Unterstützung bewältigen. Careteams gibt es keine.

Die Polizei tappte im Dunkeln

Die Polizei macht Zeugenaufrufe, schreibt eine Belohnung von 10'000 Franken aus und verfolgt viele Spuren: In den ersten Wochen nach der Tat gehen über 300 Meldungen ein. Konkret sucht die Polizei den Mann, welcher Beat die Ohrfeige verpasst hat, aber auch das gestohlene Mofa und die Zoccoli, welche der 14-Jährige bei seinem Verschwinden trug. Denn es besteht der Verdacht, dass der Mordfall mit dem Diebstahl des Mofas zusammenhängen könnte.

Die Polizei geht aber auch der Frage nach, ob sich Beat als Strichjunge in der Homosexuellen- und Pädophilenszene anbot. Einiges deutet darauf hin, dass der Achtklässler in dieser Szene verkehrte, die sich vor allem im Bereich des Campingplatzes im Gwatt traf. Andere Hinweise wiederum legen nahe, dass Beat als Drogenkurier gearbeitet haben könnte. In der Folge nimmt die Polizei Personen fest und entlässt sie wieder. Alle Spuren, die sie verfolgt, verlaufen im Sand.

Zurück bleiben diffuse Ängste und eine innere Unruhe bei den Betroffenen. Zurück bleibt aber auch eine gescheiterte Ehe: Denn 2 Jahre nach der Tat trennen sich Otto und Adelheid Gyger. Und zurück bleibt der Wunsch der Familie nach Wahrheit: «Die Wahrheit», schreibt Bernhard Gyger abschliessend, «wäre für mich und viele andere unendlich erlösend und befreiend.»

(Thuner Tagblatt)

Erstellt: 04.11.2013, 11:19 Uhr

http://www.bernerzeitung.ch/region/thun ... y/13264132
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Re: 1973-Mord an Beat Gyger

Ungelesener Beitrag von Patty »

Traf er seinen Mörder auf der Chilbi?

Vor 43 Jahren starb Beat Gyger. Bis heute ist unklar, wer den Thuner Buben umgebracht hat.

Da stehen sie, zwei Menschen auf dem schlammigen Budenplatz in Thun BE. Pfützen haben sich gebildet neben ihren Schuhen. Der nächste Rummel kommt erst an Pfingsten, wie damals vor 43 Jahren, als der Mord passierte. Die unfassbare Tat hat die beiden zusammengeführt – und lässt sie seitdem nicht mehr los.

Die beiden Menschen, das sind Bernhard Gyger (54) und Franziska Streun (52). Gyger verlor an jenem Pfingstsamstag vor 43 Jahren seinen Bruder Beat (†14). Franziska Streun war damals zehn und am Tag von Beats Verschwinden selbst kurz auf dem Rummelplatz. Später erlebte sie, wie die ganze Stadt unter Schock stand. 2013 hat sie ein Buch über den Fall veröffentlicht, «Mordfall Gyger, eine Spurensuche».

Bis heute haben die beiden die Hoffnung nicht aufgegeben: dass einer der Täter sein Schweigen bricht und sein Gewissen entlastet. Denn noch immer ist nicht klar, wer den 14-jährigen Beat brutal ermordete.
Videoreportage: «Mord an Beat Gyger (†14)»

http://php.blick.ch/red/ipad/html/mordf ... x_thun.php
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Re: 1973-Mord an Beat Gyger

Ungelesener Beitrag von senia54 »

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